Freitag, 25. Januar 2013

Sicherheit

Amerikaner haben einen Sicherheitsfetisch. Im Eishockeystadion ertönt alle paar Minuten eine Durchsage, dass die theoretische Möglichkeit besteht, dass der Puk das Feld verlässt und jemanden im Publikum gefährden könnte. Prepper reiten auf einer Welle der Nachahmer und der Euphorie - inklusive eigener Reality TV-Show. Auf dem Campus sind überall Designated Tornado Safe Zones ausgeschildert und der Campus verfügt sogar über einen eigenen Atomschutzbunker. Und auch die Verliebtheit der Amerikaner in ihre Waffen ist letztlich wohl auf dieses Bedürfnis nach Sicherheit zurück zu führen.
Doch es gibt ein Problem, das diesem Sicherheitsdenken entgegen steht: Amerikanische Großstädte sind keine sicheren Orte. Da macht auch Cincinnati keine Ausnahme: Bis 2005 konnte man einer Statistik entnehmen, das eine bestimmte Gegend im Norden von Over-the-Rhine die gefährlichste Nachbarschaft der USA sei und die Cincinnati Riots von 2001 sind eine der schlimmsten Ausschreitungen in der Geschichte der USA. Auch wenn sich Cincinnati (und v.a. Over-the-Rhine) in den letzten Jahren teilweise radikal verbessert hat, bleibt der Grundsatz bestehen: Amerikanische Großstädte sind nicht sicher.
Dieser Widerspruch zwischen Sicherheitsfetisch und unsicherer Umgebung führt zu ganz interessanten Auswüchsen. So gab uns zum Beispiel eine Professorin am Orientation Day den praxisnahen Tip, doch einfach nach zehn Uhr abends das Haus nicht mehr zu verlassen. In Chicago riet die Kellnerin uns, wir sollten uns ausschließlich mit dem Taxi fortbewegen. Die allgemeine Erwartung scheint zu sein, dass man nachts außerhalb eines Autos in jeder amerikanischen Großstadt umgehend erschossen wird.
Ich kann meine Leser beruhigen: So ist es nicht. Der Konflikt zwischen amerikanischem  Sicherheitsbedürfnis und der Großstadt-Realität führt vor allem zu einem: unbegründeter Angst. Wir sind in Chicago sowohl in der Nacht um zwölf U-Bahn gefahren wie wir auch in Cincinnati in der Dunkelheit das Haus verlassen haben. Und jeder von uns lebt noch.
Dennoch ist Arroganz natürlich unangebracht - man muss sich durchaus anders bewegen, als in europäischen Großstädten (und vor allem als in München). So ist es kein Zufall, dass bisher ausnahmslos von "uns" die Rede ist. Alleine die Nachbarschaft im Dunkeln zu erkunden oder einen längeren Heimweg anzutreten ist nicht empfehlenswert, wenn man Wert auf seine Habseligkeiten legt.
Tagsüber allerdings kann man sich in Campusnähe dagegen sorglos bewegen, auch durchaus alleine. Den Unterschied zwischen den Gegenden der Stadt spürt man dennoch. So liegt zum Beispiel die beste Einkaufsmöglichkeit für UC-Studenten zwar direkt neben dem Campus - aber in einer Gegend die man nach Einbruch der Dunkelheit meiden sollte. Das Einkaufserlebnis ist somit ziemlich einzigartig: Hinter den Supermarkt-Kassen steht fast ständig ein (selbstverständlich bewaffneter) Polizist und auch die Kundschaft ist teilweise, nun ja, interessant. In und vor allem vor dem Laden. Wer sich hiervon ein genaueres Bild machen will, dem sei diese Review-Seite ans Herz gelegt. Zumindest wenn man selbst dort einkauft, hat sie einen durchaus hohen Unterhaltungswert!
Letztlich gewöhnt man sich aber schnell an die Umgebung. Man weiß wie man sich fortbewegen sollte, wenn man alleine oder in der Gruppe unterwegs ist - und wann man nicht mehr mit sich führen sollte als Ausweis und Bargeld. Und schon kann man in amerikanischen Großstädten nachts mindestens soviel Spaß haben wie überall sonst auf der Welt.
Ich werde jedenfalls weiterhin das Haus nach zehn Uhr abends verlassen. Und sollte ich das nur machen, um mir ein Eis bei Graeter's um die Ecke zu holen, dann auch allein. Alter, bin ich badass...

Mittwoch, 16. Januar 2013

Campus-Splitter 2

Circa die Hälfte der Internationals sind Asiaten (was erstaunlicherweise genau der weltweiten Proportion entspricht). Die nicht-asiatische Hälfte der Internationals spricht ihren Namen höchstens ein bisschen amerikanischer aus, um Zungenbrecher zu vermeiden. Die Asiaten haben jedoch scheinbar einvernehmlich beschlossen, sich komplett umzutaufen. So gibt es häufiger das Bild, dass sich zwei nicht-muttersprachliche Asiaten folgendermaßen vorstellen: Hi, I'm John. - Cool. I'm Stacy!

Edit: Ich bin darauf hingewiesen worden, dass es zumindest im asiatischen und chinesischen Kulturkreis durchaus üblich ist, seinen Namen regelmäßig zu ändern (auch durchaus in anglistische Formen). Man lernt nie aus.

Wenn man einige Tage in einer nahezu ausschließlich englischen Sprachumgebung verbracht hat, dann fängt man auch im Kopf an einige Dinge auf englisch abzuhandeln. Beim Sport allerdings, wo sich bekanntlich nicht allzu viel Blut im Gehirn befindet, kann das zu interessanten Intelligenzblüten führen. So zählte ich meine Sit-Ups leise auf englisch: twenty-one, twenty-two, twenty-three...
Erst als ich bei twenty-eleven angekommen war fiel mir auf, dass etwas nicht stimmte.


Cincinnati ist für einige Dinge bekannt. So hat es das zweitgrößte Oktoberfest der Welt (was sagenhafte zwei bis drei Tage andauert und Krombacher serviert) und hatte lange Zeit das einzige Hofbräuhaus der Welt außerhalb Münchens. Doch auch abseits vom Ausleben der deutschen Wurzeln der Stadt (ein Stadtteil nennt sich "Over-the-Rhine"), hat Cincinnati als eine der bekanntesten und ältesten Städte innerhalb der USA auch ein paar kulinarische Spezialitäten hervorgebracht. Dazu gehört eine sagenhaft gute amerikanische Eiscreme, die man sich ein bisschen vorstellen kann wie frisch gemachtes Ben&Jerrys. Ebenso ist Cincinnati die Geburtstädte von Skyline-Chili, einer landesweiten Kette die mit ihrem "3-Way" berühmt geworden ist. Käse auf Spaghetti auf Chili. Hier zu sehen: ein Querschnitt. Nur echt, wenn die Menge an Käse die Menge der anderen Zutaten um das doppelte übersteigt.

Dieser nette kleine Kerl hier steht auf einem der vielen falschen Kamine in unserem Haus. Ich nenne ihn liebevoll Spooky McCreep.

Dienstag, 15. Januar 2013

Angekommen

Fast zwei Wochen bin ich nun schon hier, doch meinen Blog habe ich seither kaum aktualisiert. Sorry dafür! Ich habe mir prokrastinativ eingeredet, ich könnte zu den meisten Themen doch überhaupt keinen ganzen Blog-Eintrag verfassen, schließlich fehle mir der Überblick. Dabei habe ich es noch nicht einmal geschafft dem geneigten Leser vorzustellen, wo ich wohne. Das hole ich hiermit nach.

Wer diesen Blog eifrig verfolgt (und das tun Google-Statistiken nach zu urteilen gar nicht so wenige), der weiß bereits, dass ich mich dagegen entschieden habe auf dem Campus zu wohnen. Eine gute Entscheidung!
In dem für amerikanische Verhältnisse uralten Haus (1895 gebaut, also nur 100 Jahre jünger als die gesamte Nation) leben momentan elf Leute. Eine Französin, ein Holländer (er kommt tatsächlich aus Holland, bevor mir hier jemand mit "Niederländer" kommt), eine Koreanerin, ein Deutscher (meine Wenigkeit), ein Inder, ein junger Mann aus Singapur und ungefähr fünf Saudi-Araber. Nachdem letztere aber meist unter sich bleiben und immer Besuch haben sind mir hier weder Namen noch genaue Anzahl geläufig. Es könnten auch nur drei sein, aber genauso gut sieben. Vier dieser Gesamtschaft an Leuten sind an der University of Cincinnati immatrikuliert, der Rest besucht die Sprachschule, der dieses Haus offiziell gehört.
Doch weg von den schnöden Zahlen! Das Haus ist fantastisch. Es ist schön und groß und dabei trotzdem (für Münchner Verhältnisse) günstig. Zwar muss man sich ein Schlafzimmer teilen (mein Zimmergenosse heißt Darren und kommt aus dem weit entfernten Singapur), doch über Platzmangel im restlichen Haus kann man sich nicht beschweren. Man kann hierher Alkohol mitbringen und konsumieren. Und sollte man das Ganze in Gesellschaft tun wollen, dann steht ein beinah schalldichter Partykeller zur Verfügung. Eine Party mit ca 50 Gästen haben wir auch schon organisiert. Zum Vergleich: On campus Housing ist viel teurer und sowohl Alkohol als auch nächtliche Partys sind untersagt... Wir haben zwei Küchen (eine davon mit Gasherd), eine Mikrowelle, eine Spülmaschine, eine Waschmaschine, einen Trockner, drei Kühlschränke und einen Gefrierschrank. Gut, nichts davon funktioniert so wie es soll und sowohl Geschirr als auch Töpfe und Pfannen sind in einem, nun ja, gebrauchten Zustand - euphemistisch ausgedrückt. Aber was solls, trotzdem super.
Einen Nachteil gegenüber dem Campus jedoch muss man anmerken: es ist (buchstäblich) eine Meile zu Fuß bis zur Uni erreicht hat. Es gibt zwar ein gratis Bussystem des Campus; die Busse fahren allerdings Umwege, die jegliche Zeitersparnis auffressen. Nichtsdestoweniger bin ich zufrieden mit der Entscheidung. Eine Party gab es bereits - und der größte Star war wohl das Haus.
Und auch meine Mitbewohner (zumindest die, mit denen ich Kontakt habe) sind nett und die länderspezifischen Eigenheiten interessant zu beobachten. So hat zum Beispiel fast jede Nation eigene Essgewohnheiten. Während sich der Holländer und der Deutsche oft große Portionen kochen, um für mehrere Tage versorgt zu sein (der Gefrierschrank ist riesig), kocht der Singapurese (??) mindestens zweimal am Tag komplett frisch. Die Saudi-Araber kochen dagegen überhaupt nicht - wohl weil sie es nie gelernt haben. Ebenfalls nicht besonders einfallsreich ist die Französin, die durchaus des Öfteren einfach nur Tomaten oder Spaghetti ohne irgendwas zum Abendessen verzehrt. Meine Favoritin dagegen ist die Koreanerin, die sich schon in ihrem Koffer mehr koreanische Lebensmittel als Anziehsachen mitgenommen hat und demnächst von ihrer Mutter noch einen Vorrat für einige Tage zugeschickt bekommt.
Doch zurück zum Haus: In umittelbarer Umgebung befindet sich auch noch der Gaslight-District - hier sind einige Bars und Läden, so zum Beispiel Skyline-Chili (landesweit bekannte Spezialität aus Cincinnati) und Graeters (atemberaubend leckeres amerikanisches Eis).

Das also als erster Überblick. To be continued...

Sonntag, 6. Januar 2013

Campus-Splitter 1

5 Tage bin ich jetzt hier - und in der Zeit ist unheimlich viel auf mich eingeprasselt. Das Meiste davon gibt nicht genug her für einen eigenen Blog-Eintrag, ist aber doch irgendwie erwähnenswert. Deshalb stelle ich hiermit eine neue Reihe vor: Die Campus-Splitter. Hier werden kleine, unterhaltsame und/ oder interessante Begebenheiten nacherzählt oder an Bildern verdeutlicht.



Ein kurzen Einblick in die Schwerpunkt-Setzung des chinesischen Staatsfernsehens bezüglich der USA lieferte eine asiatische Gaststudentin. Während eines Vortrags der Campus-Polizei stellte der Polizist die Zwischenfrage, was denn die häufigste Straftat auf dem Campus sei. Statt die offensichtliche Antwort des Diebstahls zu geben, meldete sich die Gaststudentin und stellte selbstsicher fest: "Shooting!".

Amerikanische Steckdosen sehen ständig erstaunt aus.


Der Campus ist gigantisch groß. Neben diversen Fast-Food-Restaurants gibt es auch Geschäfte, ein Bus-Nahverkehrssystem und ein riesiges Sportzentrum, dessen Benutzung für Studenten gratis ist. Auffallend sind jedoch vor allem die Sportstätten - so gibt es ein eigenes Baseball-, Fußball-, Basketball- und American-Football-Stadion. Letzteres dürfte von der Größe her durchaus für manchen Bundesligisten ausreichen. Und es befindet sich mitten auf dem Campus. Um unseren Advisor zu zitieren: "This is quite a good picture for American acadamic life: It all revolves around sports."

Man wird IMMER nach dem Ausweis gefragt, wenn man denn Alkohol erwerben will. Ob Supermarkt oder Bar spielt dabei keine Rolle; überall muss man nachweisen, dass man das 21. Lebensjahr vollendet hat. Wenn nicht, ist oft schon der Zutritt zu Pubs untersagt. Auf eine interessante Art und Weise wurde dieses Hindernis jedoch von einer jungen blonden Dame in einer College-Kneipe umgangen. Sie rief einfach quer durch den Raum: "I'm underaged! Who wants to buy me a drink?"