Mittwoch, 10. Juli 2013

4th of July

Auf diesen Tag habe ich mich gefreut, seit ich wusste, dass ich in die USA gehe: Der vierte Juli, amerikanischer Unabhängigkeitstag.

Pure Exotik musste das sein. Ein Feiertag der Nation, an dem die Nation sich selbst tatsächlich feiert. Nationalstolz und Nationalfarben, die in einem ungeraden Kalenderjahr zur Schau getragen werden. Feuerwerk, das man bewundern und abfeuern kann, ohne dass Kälte bedingtes Zittern die Erfahrung stört.

Also wurden Pläne geschmiedet. Sollte man auf eine Parade gehen, die im Nordteil der Stadt stattfand? Und sollte man sich das große Feuerwerk am Abend Downtown, oder lieber von einem Hügel anschauen? Was bietet die spektakulärere Aussicht?

Am dritten Juli fiel die Entscheidung: Ein typisch amerikanisches BBQ den ganzen Tag über, und abends würde dann das Feuerwerk genossen. Wo genau konnte man ja immer noch entscheiden. Das BBQ würde auch schon mittags losgehen, schließlich ist day-drinking am Fourth of July so amerikanisch wie Schusswaffen und kein Gesundheitssystem.

Wir würden bei mir im Garten grillen, die Leute wurden eingeladen. Ein amerikanischer Mitbewohner und ich fuhren denn auch gleich am Abend zum Einkaufen. Während mein Plan war neben Grillkohle nur mir selbst ein paar Steaks und Bier zu kaufen, so erschloss sich ihm das deutsche Prinzip von "jeder bringt sein eigenes Essen mit" nicht so ganz. Er fand es offenkundig sehr unhöflich Leute zu sich nach Hause einzuladen und nicht genug zu Essen bereit zu stellen.

Also kaufte ich mir zwar ein Steak, aber dazu kauften wir noch Hamburger-Patties und -Brötchen, Blattsalat, Käse, BBQ-Soße, Tomaten, Zwiebeln, Jalapenos, Green Chili, Avocados, Bratwurst, Hot-Dog-Brötchen und einen 24er Pack Bier. Achtzig Dollar später waren wir zumindest gerüstet für den amerikanischsten aller Feiertage. Am nächsten Tag konnte es los gehen.

Doch es gab ein Problem: Als ich aufstand, regnete es in Strömen. Letzte Woche habe ich über das Wetter in Cincinnati geschrieben, und darüber, wie schnell es sich ändert. Also bin ich nicht verzweifelt, bin in die Küche gegangen, habe in Spotify die Playlist "Patriotic" gefunden und gestartet und habe angefangen sämtliche Zutaten für die Burger vorzubereiten und klein zu schneiden.

Abgesehen jedoch davon, dass die Playlist sehr enttäuschend war (ich erwartete mir zwei Stunden den rockigen Kitsch von 'Born in the USA', bekam aber ausschließlich Musik die schmalziger inszeniert war als eine 'Schlümpfe'-Weihanchts-CD), gab es noch ein Problem: Es hatte immer noch nicht aufgehört zu regnen. Wenn überhaupt, dann war der Regen stärker geworden.

Die ersten Gäste fragten nach, ob denn die Veranstaltung trotzdem noch stattfinde. Natürlich. Doch die Meisten liessen sich von dem schlechten Wetter, ihrem Kater vom Vortag oder einer Kombination aus beidem davon abhalten wirklich vorbei zu kommen.

Nachdem der Grill bei strömendem Regen angeheizt wurde, versuchten wir halbwegs erfolgreich die Frustration über das Wetter und den Mangel an Gästen mit Unmengen an Essen und ein bisschen Bier zu bekämpfen. Zwar musste jeder, der die Burger/ Würste wenden wollte unweigerlich in den Regen, aber das Ergebnis war fantastisch.

Doch ein weiteres Problem ging mit dem strömenden Regen einher: Das die großen Feuerwerke statt fanden wurde immer unwahrscheinlicher. Die große Exotik des 4th of July drohte buchstäblich ins Wasser zu fallen.

Als es gegen Abend immer noch nicht auftat, beschlossen mein amerikanischer Freund und ich uns an einen nüchternen Gast zu wenden, der uns zu einem Feuerwerksverkauf fahren sollte. Wenn schon niemand sonst, dann machen wir zumindest unser eigenes Feuerwerk.

Nachdem in den Stadtgrenzen von Cincinnati Feuerwerk offiziell nicht erlaubt ist (aus dem einfachen Grund, dass gewisse Kreise den allgegenwärtigen Lärm nutzen könnten um halbwegs unbemerkt bewaffnete Konflikte auszutragen) fuhren wir südwärts nach Kentucky, in einen Laden der sich auf Feuerwerk spezialisiert hat.

Kentucky. Am vierten Juli. In einem Feuerwerksladen. Sollte jemand jemals auf die Idee kommen eine Doku über den amerikanischen White Trash und die Redneck-Kultur zu drehen, das wäre DEFINITIV ein guter Anfang.

Leute mit Schnurrbart, weißer Haarmähne und mit Stars-and-Stripes bedruckten Unterhemden trafen hier auf Familien mit gefühlten 17 Kindern, die ein wenig an die Spuckler-Familie aus den Simpons erinnerten. In meiner Erinnerung mischt sich das Ganze mit einem leichten Hauch von Bourbon in der Luft.

Auch wenn ich versucht bin noch mehr über die Magie dieses besonderen Ortes zu schreiben, so habe ich Angst mich dann komplett darin zu verlieren. Letztendlich kauften wir Feuerwerk für über 100 Dollar und es ging zurück nach Hause.

Es wurde langsam dunkel in Cincinnati und das Feuerwerksverbot wurde auf typisch-amerikanische Art und Weise vollkommen ignoriert. Als es dann auf zehn Uhr und die totale Dunkelheit zuging fingen auch wir an unser Feuerwerk auszupacken und vorzubereiten. Ich war wahnsinnig gespannt, was für eine Qualität wohl das Feuerwerk besitzt in einem Land, das berühmt dafür ist Schusswaffen im Supermarkt anzubieten.

Unser Sortiment bestand aus Flaschenraketen, Böllern, riesigen römischen Kerzen und Bällen, die man in eine mitgelieferte Pappröhre steckte. Über eine lange Zündschnur feuerten sich diese dann selbst aus der Röhre um 20-30 Meter über dem Boden in viel Licht und Lärm zu explodieren.

Gerade als wir angefangen hatten unsere Show vorzubereiten, hörte es auch tatsächlich auf zu regnen. Mit kindlicher Begeisterung und in T-Shirts und Shorts (für mich persönlich eine Premiere!) zündeten wir so also die Mengen an Feuerwerk, die wir gekauft hatten. Ein kleines Mädchen aus dem Apartmentgebäude gegenüber schaute uns dabei begeistert zu.

Abgesehen von einer der erwähnten Kugeln, die nach einer fehlzündung am Boden explodierte und mir die interessante Erfahrung verschaffte für zwei Sekunden absolut nichts zu hören (anscheinend ist amerikanisches Feuerwerk doch ein wenig stärker als deutsches) lief auch alles glatt.

Nach zehn verregneten und improvisierten Stunden ging also der patriotischste Tag des Jahres zu Ende. Bis in die frühen Morgenstunden konnte ich den Sieg über die Briten allerdings nicht feiern: Ich musste am nächsten Tag trotz Brückentag arbeiten. Als einer von gefühlt fünf Leuten im gesamten Büro.

Aber immerhin war der nächste Tag wieder sonnig.

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